Gegner im Detail #FCSPKSC:

Mit Innovation Richtung Erfolg

Vorberichte

Unter der Regie von Fabian Hürzeler hat der FC St. Pauli bereits jetzt die beste Rückrunde der Vereinshistorie gespielt. Nun ist sogar ein Allzeitrekord in der 2. Bundesliga möglich. Der jüngste Trainer in den drei Profiligen Deutschlands hat in kürzester Zeit aus einem Abstiegs- einen Aufstiegskandidaten gemacht. Bei Gegner im Detail blicken wir heute auf eine rasante Entwicklung und auf das Fundament, das dieser zugrunde liegt.

Seit der Winterpause hat sich im hohen Norden am Millerntor einiges verändert. Nachdem Fabian Hürzeler vom Co- zum Cheftrainer befördert wurde, holte St. Pauli 40 Punkte aus 16 Partien. Mit einem Sieg am letzten Spieltag würden die Hamburger auf 43 Zähler springen, bislang sind 41 Punkte in einer Halbserie die Höchstzahl. Seither führte eine schier unglaubliche Aufholjagd von Platz 15 im Winter auf Rang 4 - der Schlüssel ist die Stabilität.

Hinten muss die Null stehen

Übungsleiter Hürzeler betont fast schon gebetsmühlenartig die Wichtigkeit der Defensivarbeit. Dieser Fokus äußert sich auch bei einem Blick in die Statistiken: Der FC St. Pauli hat in der Rückrunde bislang knapp 13 gegnerische Torschüsse pro Partie zugelassen. Das sind zwar drei mehr als in der Hinrunde, allerdings ist die Quote jener Abschlüsse, die auch auf das Tor gehen, stark gesunken. Während in der ersten Halbserie 36% der gegnerischen Torabschlüsse ihr Ziel fanden, sind es in der zweiten Saisonhälfte nur noch 23%. Die Anzahl an Schüssen auf das Tor hat demnach also von 3,6 auf 3,0 pro Partie abgenommen. Der Hamburger Defensivverbund sorgt somit seit der Übernahme Hürzelers dafür, dass die Abschlussqualität der gegnerischen Versuche nachgelassen hat. Das liegt unter anderem daran, dass ein Großteil der zugelassenen Torschüsse von außerhalb des Strafraums kommt (Anstieg von 3,6 auf 6,3 pro Spiel in der Rückrunde).

Zudem liegt Pauli-Schlussmann Nikola Vasilj mit 0.93 Gegentoren pro Spiel auf Platz zwei unter allen Torhütern der 2. Bundesliga. Ein ziemlicher Aufstieg, nachdem er Ende Oktober noch das Ligaschlusslicht in dieser Kategorie war.

Defensiv variabel und anpassungsfähig

Im Spiel gegen den Ball steht der FCSP für defensive Flexibilität. In einer 5-2-3-Grundformation verteidigen sie sehr geschlossen, die Abstände zwischen den einzelnen Spielern werden stets eng gehalten. Gegen besonders spielstarke Gegner verändern sie das System auch variabel zu einer noch kompakteren 5-4-1-Aufstellung. Um zu messen, wie aggressiv oder zurückhaltend eine Mannschaft verteidigt, lohnt sich ein Blick auf die Anzahl an Pässen, die der Gegner spielen kann, bevor eine Defensivaktion initiiert wird.

Unter Hürzeler lässt die Pauli Defensive 10,42 solcher Pässe zu, zwei mehr als unter seinem Vorgänger. Daraus lässt sich schließen, dass die „Kiezkicker“ zurückhaltender und passiver, aber nicht weniger konzentriert agieren. Sie setzen auf eine tiefe Pressinglinie, der Angriffsdruck gestaltet sich weniger intensiv. Oft wird der gegnerische Innenverteidiger gar nicht erst unter Druck gesetzt. Auslöser des Pressings ist eher der Pass zum Außenverteidiger oder ins Mittelfeldzentrum, dort wird dann konsequent zugegriffen. Auch nach eigenem Ballverlust lässt sich die Hürzeler-Elf deutlich weiter zurückfallen und intensiviert umgehend den Gegendruck mit Blick auf die Konterabsicherung.   
Eine große Stärke in Paulis Defensivstrategie ist die gegnerabhängige Anpassungsfähigkeit. Im Heimspiel gegen Fürth verteidigten die „Kiezkicker“ entgegen ihrer Philosophie deutlich aggressiver. Dort ließen sie im Durchschnitt nur fünf Pässe zu, bevor der defensive Zugriff erfolgte und behielten alle drei Punkte am Millerntor.

Pep Guardiola als Blaupause

Obwohl die Defensive als das Herzstück von Paulis Erfolg gilt, ist das Auftreten mit dem Ball am Fuß fast noch interessanter. Hürzeler verfolgt einen komplexen Spielstil, der besonders in der 2. Bundesliga selten zu finden ist. Geprägt von innovativen Ideen, geordnetem Spielaufbau und flachem Kurzpassspiel ist die Pauli-Spielweise in Nuancen angehaucht von Grundtugenden des typischen Guardiola-Fußballs.

Besonders zwei Aspekte, die allen voran Manchester City verkörpert, finden sich zumindest im Ansatz im Ballbesitzfußball der Hamburger wieder. Die Mannschaft agiert mit dem Ball sehr flexibel. Es gibt Räume und Positionen, wer diese besetzt ist aber letztendlich egal. Regelmäßig wechseln die Spieler in einer Angriffssequenz die komplette Seite. Der Spieler, der auf der Linksverteidiger-Position den Ball gewinnt, spielt oft 20 Sekunden später auf dem rechten offensiven Flügel den finalen Pass. Kaum jemand ist da, wo man ihn erwarten kann, trotzdem ist die Raumaufteilung perfekt. Dieses positionslose Spiel ist taktisch anspruchsvoll, jeder Spieler muss die Abläufe perfektionieren.

Gepaart wird diese Strategie mit den Grundsätzen des sogenannten „fluid football“. Im Angriff treten die Braun-Weißen auf dem Papier in einer 3-4-2-1- Grundformation auf. In Ballbesitz hat Paulis Realformation allerdings nicht mehr viel damit zu tun. Es herrscht viel Bewegung und Rotation auf dem Platz. Vor allem abseits des Balles sind permanent Läufe und Rotationen zu beobachten. Diese Herangehensweise ist für den Gegner schwer zu verteidigen, weil die Defensive durch die ganze Bewegung auseinandergezogen wird. Im Pauli-Fußball unter Hürzeler ist auf dem Feld oft zu erkennen, dass Spieler auf Positionen stehen, auf denen sie auf dem Papier nicht zu Hause sind. Die Übergänge zwischen Positionswechsel und Raumbesetzung geschehen fließend.
Dabei entwickelt sich ein sehr flügellastiges Spiel. Das Zentrum dient nur zur Überbrückung, um auf die andere Seite zu kommen. Es gibt zahlreiche Überlagerungen auf einer Seite, um dann mit schnellen Seitenwechseln den Gegner auseinanderzuziehen.

Sicher ist, dass der FC St. Pauli in der Rückrunde mit diesen taktischen Kniffen sehr viel effizienter auftritt als noch in der Hinrunde. Es ist spannend zu sehen, was technisch und taktisch in dem kurzen Zeitraum seit der Amtsantritt von Fabian Hürzeler verändert und etabliert wurde. Der Cheftrainer selbst sagt über sein Team:
„Wir haben schon in der gesamten Rückrunde eine extreme Intensität, Freude und auch Spaß im Training. Auch die Spieler, die wenig Einsatzzeiten bekommen, halten die Intensität hoch, indem sie Gas geben und sich nicht hängen lassen. Das spricht für den Charakter der Mannschaft“.

Am Sonntag kann im Saisonfinale gegen unseren KSC nun endgültig Zweitligageschichte geschrieben werden. Es wäre die Krönung eines bislang bemerkenswerten Prozesses, auch wenn wir aus blau-weißer Sicht alles dagegenhalten werden.


Match
Center
3:2