Gegner im Detail zum FC St. Pauli

Volker Ippig – von der Hafenstraße zur Vereinsikone

Vorberichte

Volker Ippig - Ein Name, der vielleicht nicht jedem bekannt ist, beim FC St. Pauli aber eine ganz besondere Bedeutung hat. Ippig war in den 80er-Jahren Teil des Kiezbebens, der zweiten Geburt des FC St. Pauli. Was genau den Torhüter auszeichnete und welche Stellung er in dieser ereignisreichen Zeit einnahm, erfahrt ihr bei „Gegner im Detail“.

Die Anfänge des Kiezclubs

Obwohl der FC St. Pauli offiziell im Jahr 1910 gegründet wurde, reicht die Geschichte des Vereins bereits in das Jahr 1907 zurück. Damals begannen die Mitglieder des Hamburg-St. Pauli Turnvereins mit dem Fußballspielen, doch erst drei Jahre später traten sie dem Norddeutschen Fußball-Verband bei. 1924 kam es zur Trennung vom Turnverein und der Gründung des FC St. Pauli. Mit dem Kiezclub, wie wir ihn mittlerweile kennen, hatte dieser damals aber noch nicht viel zu tun. Es dauerte eine lange Zeit, knapp 70 Jahre, bis die Braun-Weißen ihre heute noch einzigartige Identität fanden.

Erst in den 80er-Jahren kam es zum großen Umbruch, dem Kiezbeben oder auch der zweiten Geburt des FC St. Pauli. Der Verein wurde zu dem, was ihn heute ausmacht. Genau zu dieser Zeit begann auch Volker Ippig seine Fußballkarriere. Knapp 11 Jahre lang war der mittlerweile 60-Jährige mit kleineren Unterbrechungen bei den Braun-Weißen aktiv. Bevor wir auf die Karriere des Torhüters schauen, stellt sich jedoch die Frage, wie er überhaupt zum FC St. Pauli kam.

Ippigs Weg zum Millerntor

Volker Ippig wurde 1963 in Eutin, Schleswig-Holstein geboren. Seine Kindheit verbrachte er im nahegelegenen Lensahn und kickte beim ortsansässigen Fußballverein. Als Achtzehnjähriger kam er im Jahr 1981 zum FC St. Pauli. Sein erstes halbes Jahr war für den Torhüter alles andere als leicht, er musste dreimal die Woche eineinhalb Stunden zum Training fahren. Nachdem der damalige Vize-Präsident Otto Paulick das sechs Monate lang geduldet hatte, stellte er dem Torhüter ein Ultimatum: Entweder er zieht nach Hamburg und konzentriert sich auf den Fußball oder er bleibt in Lensahn und kickt weiter dort. Für Ippig ging es damit vom Land in die Großstadt. Ein Jahr lang kam das aufstrebende Torhütertalent bei Familie Paulick unter und lernte in Hamburg auch die Welt außerhalb des Fußballs kennen. Die neu gewonnene Freiheit brachte ihn damals zur aufkeimenden Punk-Bewegung und so trat er seine Spiele stets mit Irokesenfrisur an, die ihm schnell die Aufmerksamkeit der Presse bescherte. Unter dem Ruf des Punks hat er nie gelitten, im Gegenteil versuchte er durch die Aufmerksamkeit neue Motivation zu schöpfen. Ippig erlebte in seiner Anfangszeit auf dem Kiez viele Fußballhighlights. Das erste Mal vor einem ausverkauften Millerntor spielte er 1981. Der FC St. Pauli trat in einem Testspiel gegen die deutsche Nationalmannschaft um Rummenigge, Briegel, Breitner und Co. an. Zwar verlor die Mannschaft mit 6:0, das Spiel blieb ihm jedoch immer in bester Erinnerung.

Ein Praktikum, Nicaragua und die Hafenstraße

Nachdem Volker Ippig sein Abitur abschloss, entschied er sich dazu, die Schuhe für eine gewisse Zeit an den Nagel zu hängen. Mit Anfang 20 startete er ein Praktikum in einem Kindergarten für behinderte Kinder, ehe er für sechs Monate als Aufbauhelfer nach Nicaragua ging. Im Hintergrund war er sich zu dieser Zeit bereits über eine Rückkehr zum Fußball mit dem FC St. Pauli einig. Wieder in Hamburg angekommen, wohnte der Torhüter den Sommer über in der besetzten Hafenstraße. Damals gab es in der Hafenstraße einige leere, sanierungsbedürftige Häuser, in denen sich vor allem Studenten und Autonome ansiedelten. Ippig hielt auch in dieser Zeit sein gewonnenes Image als etwas anderer Fußballer aufrecht. Trotz des Trubels um seine Person gelang dem FC. St Pauli im Sommer 1984 der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Volker Ippig hatte nach seinen Erlebnissen in Mittelamerika eine schwierige Zeit, da er die zwei kennengelernten Welten Nicaragua und Deutschland nicht vereinen konnte und so kam es aufgrund von kleineren Streitigkeiten und grundsätzlich unterschiedlichen Lebenseinstellungen zum Rauswurf des Torhüters.

Symbolfigur der Fans

Nach zwei Jahren ohne Profifußball kam er 1986 wieder ans Millerntor zurück und wurde besonders von den Fans herzlich empfangen, denn auch die Fankultur unterzog sich einem immer größeren Wandel. Die heutigen Werte des FC St. Pauli, zu denen Toleranz, Respekt, Gleichberechtigung und Offenheit gehören, wurden immer stärker von den Anhängern in den Verein getragen. Zu diesem Bild passte Volker Ippig mit seiner Hafenstraßen-Vergangenheit und als bekennender Linker perfekt, sodass er zur Projektionsfläche der Fans wurde. In dieser Rolle fühlte er sich sichtlich wohl, denn immer wieder begrüßte er die Fankurve mit erhobener Arbeiterfaust als Zeichen für Solidarität, Stärke und Widerstand.

1988 erreichte Volker Ippig mit seiner Mannschaft den Aufstieg in die Bundesliga und der FC St. Pauli weckte immer mehr mediales Interesse. Deshalb kam es im November zum ikonischen Sportstudio-Interview, in dem der etwas andere Profifußballer bei Moderator Bernd Heller zu Gast war. Viel erfuhren die Zuschauenden an diesem Tag nicht von dem jungen Mann, was wohl vor allem daran lag, dass Bernd Heller mit Volker Ippig nicht den typischen Interviewgast und Berufssportler vor sich hatte. Erneut trafen zwei Welten aufeinander.

1992 musste es der wohl prägendste Torhüter des FC St. Pauli seine Karriere aufgrund einer Schulterverletzung beenden. Seitdem sind die Kiezkicker die meisten Zeit in Liga zwei unterwegs. Momentan ist der Verein sogar an der Spitze der Tabelle. Volker Ippig hingegen arbeitet mittlerweile im Hafen und hat nicht mehr viel mit Fußball am Hut. Lediglich seinen Töchtern schaut er bei Spielen immer noch gerne zu. Was ihm jedoch keiner nehmen kann, ist die prägende Rolle, die er für den Verein und die Fans eingenommen hat.


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