Gegner im Detail

Relegations-Drama um die 2. Liga: Das "Wunder von Bielefeld"

Vorberichte

Zum ersten Saison-Heimspiel im BBBank Wildpark empfängt unser KSC den SV Darmstadt 98. Die Lilien, die seit 2017 wieder in der 2. Bundesliga spielen, haben in ihrer 123-jährigen Geschichte schon so einiges durchlebt. Aufstiege, Abstiege, von der Bundesliga in die Bedeutungslosigkeit und zurück. Bei Gegner im Detail werfen wir einen Blick in die Darmstädter Geschichtsbücher, genauer gesagt auf ein spektakuläres Relegation-Drama.

Der Weg des SV Darmstadt 98 in die Relegation der 2. und 3. Liga in der Saison 2013/14 startete schon deutlich früher, nämlich im Sommer 2011. Damals gelang den Südhessen nach 17-jähriger Abstinenz die Rückkehr in den Profifußball. Als Meister der Regionalliga Süd stiegen die Lilien unter Cheftrainer Kosta Runjaic in die 3. Liga auf. In der Folgesaison beendete man die Spielzeit auf Platz 14 und hielt somit souverän die Klasse. Das zweite Jahr Drittklassigkeit stellte die Südhessen dann vor größere Schwierigkeiten. Am 24. Spieltag übernahm der ehemalige KSC-Spieler Dirk Schuster am Böllenfalltor, konnte den sportlichen Abstieg als Tabellenachtzehnter allerdings nicht mehr verhindern. Doch aufgrund des Lizenzentzuges der Offenbacher Kickers durften die Darmstädter trotz fußballerischer Misere weiter in der Liga bleiben. In der Sommertransferphase musste die sportliche Leitung des SVD dann aktiv werden und lockte unter anderem Dominik Stroh-Engel aus Wiesbaden und einen gewissen Jerôme Gondorf von den Stuttgarter Kickers ans Böllenfalltor. Diese Neuverpflichtungen zahlten sich in der Spielzeit 2013/14 dann vollends aus. Stroh-Engel holte sich mit 27 Treffern die Torjägerkanone und Gondorf stand in 35 von 38 Partien in der Startelf. Nach dem Beinahe-Abstieg in der Vorsaison spielten sich die Darmstädter vor bis auf den dritten Tabellenplatz und lösten somit das Ticket für zwei Alles-oder-Nichts-Spiele in der Relegation. Der Gegner: Arminia Bielefeld. Im Heimspiel am Böllenfalltor waren die Lilien chancenlos gegen den klassenhöheren Konkurrenten. Sahar, Müller und Hille sorgten mit drei Auswärtstoren für die Vorentscheidung, das zwischenzeitliche 1:2 durch Milan Ivana gab den Lilien noch ein klein wenig Hoffnung.  
Trotz der, aus Darmstädter Sicht, schlechten Ausgangslage gingen die 98er entschlossen in das Rückspiel und setzten alles daran, das Ruder noch einmal rumzureißen. 
Nach gut 20 Spielminuten wagte Innenverteidiger und Kapitän Aytac Sulu einen langen Ball aus der eigenen Hälfte auf den an der gegnerischen Strafraumkante positionierten Gondorf. Der Palmbacher ließ das Zuspiel gekonnt von der Brust vor Stroh-Engels Füße abtropfen. Der Stürmer nahm die Kugel nach einmaligem Aufsetzer aus der Luft und schweißte das Spielgerät links unten ein. Das erste Tor war erzielt, der Weg zum Aufstieg allerdings noch lang. 

Dirk Schuster - Ein Mann der Wunder kann.

Die Partie nahm daraufhin immer mehr an Fahrt auf und das Nervenkostüm wurde auf beiden Seiten immer dünner. Als Reaktion auf einen Kontakt zwischen Gondorf und DSC-Torwart Ortega kam es zur Rudelbildung auf dem Feld. Die Halbzeitpause gab den Mannschaften dann Zeit und Raum zum Runterkommen und sich wieder voll und ganz auf den Fußball zu konzentrieren. Im zweiten Durchgang setzten die Lilien ihre Aufholjagd fort und erarbeiteten sich in der 51. Minute einen Eckstoß. Der SVD versammelte sich außerhalb des Sechzehners und verteilte sich bei Ivanas Eckstoß in einer einstudierten Formation. Die halbhohe Flanke kam auf den gen kurzen Pfosten laufenden Hanno Behrens, der das Leder per Hacke im Netz versenkte. Nun war der Aufstieg plötzlich wieder greifbar nah. Die Euphorie der Darmstädter erlebte nur 120 Sekunden später jedoch einen groben Dämpfer. Der Armine Tom Schütz trat einen Freistoß aus dem rechten Halbfeld in die Darmstädter Gefahrenzone. Dort überragte Felix Burmeister die gegnerische Defensive und köpfte zum Anschlusstreffer ein. Ein weiteres Tor musste für die Darmstädter also her, um eine Entscheidung in die Verlängerung zu schieben. Der SVD versuchte viel, scheiterte aber immer wieder an den nun defensiv eng gestaffelten Ostwestfalen. So wurde auch zehn Minuten vor Ende der regulären Spielzeit eine Darmstädter Flanke von der Verteidigung entschärft und mit einem Pass auf Schütz vermeintlich geklärt. Der Vorbereiter zum Anschlusstreffer schlug jedoch ein Luftloch und ermöglichte es dadurch Lilien-Angreifer Sailer ihm den Ball abzuluchsen und zu Gondorf weiterzuspitzeln. Dieser nahm sich ein Herz und hielt aus knapp 25 Meter Torentfernung mit seiner rechten Klebe drauf und donnerte das Leder in den linken Torknick. Drei Darmstädter Tore, dreimal äußerst sehenswert. Beim Stand von 1:3 sollte es auf der Bielefelder Alm dann in die extra 30 Minuten gehen. Trotz des späten Gegentreffers ließ sich Bielefeld in der Verlängerung nicht hängen und mauserte sich ins Spiel zurück. Im Angriffsdrittel kombinierten sich die Arminen Strifler und Schönfeld mit einem Doppelpass in den Darmstädter Strafraum. Dort legte Strifler quer auf Kacper Przybylko, der eiskalt ins Tor einschob. Der Albtraum aller Kommentatoren drohte nun auch zu dem all derer, die es mit den Südhessen halten, zu avancieren. Die Lilien lagen am Boden und die Schüco-Arena explodierte in Jubelströmen. Noch zehn Minuten zu spielen und die Bielefelder rührten mächtig Beton an. Die Darmstädter brauchten ein Wunder, und das möglichst schnell.

Glücklicherweise stand beim SVD mit Schuster ein Valencia-Veteran hinter der Seitenlinie, der in seiner Karlsruher Zeit gelernt hat, wie man Wunder schafft. In der 112. Minute tätigte der ehemalige Defensiv-Spezialist den letzten von drei Wechseln, indem er den Brasilianer Elton Da Costa für Gondorf, dessen Leistung die kicker-Note 1,0 erhielt, aufs Feld schickte. 
Die Lilien warfen jetzt alles nach vorne, aber auch nach 120 Minuten wollte der goldene Treffer nicht gelingen. Der vierte Offizielle zeigte noch zweit weitere Minuten Nachspielzeit an – jetzt oder nie. Ein langer Ball in die Bielefelder Hälfte verursachte Chaos. Ein Kopfballduell folgte auf das nächste, aber weder die Lilien noch Arminia konnte den Ball entscheidend fest machen. Irgendwie sprang die Kugel plötzlich vor dem eingewechseltem Da Costa auf. Dieser reagierte geistesgegenwärtig und zog ab. Ein Bielefelder Verteidiger touchierte den strammen Schuss leicht und lenkte ihn so unhaltbar ins rechte untere Eck. Auf der Darmstädter Bank brachen alle Dämme. Ersatzspieler, Trainer und Betreuer rannten auf das Feld und bejubelten das 4:2.  
Wer jetzt aber denkt, dieses Spiel wäre an Dramatik nicht mehr zu überbieten, der hat die Rechnung ohne die Arminia gemacht. Mit der allerletzten Aktion des Spiels brachte Strifler einen Freistoß aus 40 Metern auf das Darmstädter Tor. Dort leitete der nach vorne gekommene Keeper Ortega den Ball zu Feick weiter. Dessen Kopfball hatte SVD-Schlussmann Zimmermann bereits geschlagen, der linke Torpfosten nahm den DSC-Fans den Jubelschrei aber wieder von den Lippen. Sekunden später beendete der Unparteiische die Partie. Damit war es offiziell: die Lilien kehrten nach 21 Jahren in die 2. Bundesliga zurück. Das „Wunder von Bielefeld“ war aber noch nicht das Ende der Darmstädter Erfolgsgeschichte. In der Folgesaison gelang der Mannschaft von Dirk Schuster der direkte Durchmarsch in die Bundesliga.  


Match
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