"Hans" Cayoglu im Portrait

Nach 46 Jahren KSC: Zeugwart-Legende "Hans" geht in Ruhestand

Profis

Nach 46 Jahren beim KSC geht Zeugwart-Legende Hüseyin "Hans" Cayoglu nach dem kommenden Spiel in seinen wohlverdienten Ruhestand. Wir haben den 63-Jährigen zum Abschied begleitet und blicken im Portrait auf seine Zeit im Wildpark zurück.

Seit 1975 im Wildpark zuhause: Hüseyin "Hans" Cayoglu

„Hier her!“, „Nicht so weit!“, „Auf geht’s, Jungs!“ Das Training der KSC-Profis ist in vollem Gange. Auf dem Übungsplatz im Schatten des Wildparkstadions bereiten sich die Spieler auf die Partie gegen den SC Paderborn vor. 

Während draußen Alarm ist, ist es in den Katakomben des Stadions ganz still. Dort, in den alten, aber heiligen Hallen der Haupttribüne, geht gerade nur einer seiner Arbeit nach: Zeugwart Hüseyin "Hans" Cayoglu macht und tut und richtet. Am Nachmittag steht für die Blau-Weißen die zweite Einheit des Tages an. Bis dahin muss wieder alles vorbereitet sein: Saubere Trainingsklamotten im Fach, pralle Bälle im zugehörigen Sack. 

Hans geht die Sache mit Wehmut an. Für den 63-Jährigen endet eine Ära. Nach dem Heimspiel am Samstag geht der Zeugwart nach 46 Jahren KSC in den verdienten Ruhestand. Im Wildpark kennt er jeden Grashalm, jeden Stein. Während Spieler, Trainer und Erfolge kamen und gingen – Hans war immer da, seit März 1975. „Die ersten KSC-Spiele habe ich während dem Fußballspielen auf dem Blotzplatz im Radio verfolgt“, erzählt Hans heute. Wegen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme landete der junge Metallarbeiter dann damals im Wildpark. Eine Krise kostete den Deutsch-Türken seinen vorherigen Job, ehe er von Zeugwart Josef ‚Seppl‘ Klimesch am Adenauerring eingestellt wurde. „Damals war rund um den Stadion- und Spielbetrieb noch vieles in städtischer Hand“, erklärt Hans knapp 50 Jahre später. „Gemeinsam mit vier Kollegen haben wir uns für die Stadt so gut wie um alles gekümmert, was im Wildpark angefallen ist.“

„Ich war Hausmeister, Platzwart und Zeugwart in einer Person“ 
Als 1993 dann die neue Haupttribüne fertig war, ging es für Hans komplett zum KSC. „Ab dann musste sich der Verein selbst um die Nebenplätze und die Zeugwart-Aufgaben kümmern, so dass sie auf mich zugekommen sind“, blickt er zurück. „Ich war dann Hausmeister, Platzwart und Zeugwart in einer Person. Ich musste Rasen mähen, dann schnell rüber zu den Kabinen, um Schuhe rauszustellen und Bälle aufzupumpen und dann direkt wieder zurück, um den Platz auszubessern.“ Keine leichte Aufgabe für den geschäftigen Hans, dessen Augen aber funkeln, während er von den 90er-Jahren im Wildpark spricht. 

In seinem Büro am Ende des Kabinengangs zeugen noch zahlreiche Wimpel von den internationalen Glanzzeiten der Karlsruher. Bordeaux, Rom, Eindhoven. Wenn Hans die Wand betrachtet, kommen Erinnerungen hoch: „Damals hat im Wildpark alles geblüht, für alle war es eine besondere Zeit.“  Damals war er sogar noch für die Stollen der Spieler zuständig. Regen? Matsch? Hans hatte die passenden Stollen parat. „Früher habe ich jedem die Schuhe gerichtet. Das war aber damals auch leichter als heute, denn jeder Spieler hatte nur ein Paar“, lacht Hans.

Für die Spieler ist er immer zur Stelle – damals wie heute. Auf der Suche nach einem Elektriker? Hans vermittelt einen Kumpel oder packt direkt selbst an. Blut auf dem Trikot? Hans hat das Ersatztrikot schon parat. „Meine oberste Priorität ist, dass die Mannschaft zufrieden ist“, erklärt er. In der kleinen Küche neben der Kabine war er früher auch für den Tee zuständig. Heißer, türkischer Tee zum Aufwärmen nach kalten Einheiten. Die Profis standen Schlange. 

Wiedersehensfreude: Hans trifft Anfang des Jahrtausends wieder auf Icke Häßler

„Ich war 18, er war Weltmeister“ 
Ob aus Spielern Freunde geworden sind? „Sie kommen und gehen, aber natürlich freundet man sich auch an, wenn man sich länger kennt“, erzählt Hans. Häßler, Scholl, Iashvili, Porcello – Hans zählt auf, wer sich öfter bei ihm für ein kleines Wiedersehen meldet. Eine Begegnung wird er nie vergessen: die mit Torhüter-Legende Sepp Maier. 1975 ist der KSC in die Bundesliga zurückgekehrt und hat den FC Bayern München zu Gast. Das Wildparkstadion platzt aus allen Nähten, 60.000 Zuschauer sitzen bis zum Spielfeldrand auf der Laufbahn. „Sepp Maier hat sich bei mir Bälle geholt, mein Chef hat mich dann mit ihm zum Platz geschickt. Ordner mussten uns den Weg bahnen, dann kamen Fotografen an. Er hat mich für die Fotos in den Arm genommen, mir die Haare durchgewuschelt. Ich war 18, er ein Weltmeister.“ 

„Okay, dann bin ich jetzt halt Hans“ 
Im Hier und Jetzt ist die Trainingseinheit zu Ende. Stück für Stück kehren die Spieler in die Umkleide zurück und grüßen freundlich: „Hi, Hans!“. Doch warum eigentlich Hans? Hüseyin Cayoglu kam mit 13 Jahren aus der Türkei nach Karlsruhe. „Meine Kindheit ist in der Türkei, meine Heimat ist hier“, sagt Hans. Erst war er heimisch in Liedolsheim, dann in Linkenheim. In der Anfangszeit ging es für ihn mit dem Bus zum Wildparkstadion, die letzten Kilometer von der Linkenheimer Landstraße bis zum Stadion lief er zu Fuß. Jeden Trainingstag, jeden Spieltag.  

In den 80er-Jahren war der KSC dann öfter in der Schweiz für Freundschaftsspiele zu Gast. Für Hüseyin war dafür jedes Mal ein Visum notwendig. Die Lösung: ein deutscher Pass. Der Zeugwart erzählt: „Als ich den Pass dann hatte, kam Winnie Schäfer zu mir und fragte: ‚Und, wie heißt du jetzt?‘ Natürlich hatte ich meinen Namen behalten, aber er meinte: ‚Du brauchst einen neuen Namen.‘ Und dann sagte ich aus dem Stegreif: ‚Okay, dann bin ich jetzt halt Hans.‘“

Seitdem wird Hans in Fußballdeutschland Hans gerufen. Wahlweise auch Hansi. Untereinander kennen sich die Zeugwarte, mindesten zwei Mal im Jahr trifft man sich in den Stadien der Nation. „Von Hamburg bis nach München. Wir sind befreundet, jeder hat Tipps und Tricks, über die man sich austauscht.“ Einmal, als sich die Betreuer verschiedenster Vereine gemeinsam nach den Hallenmasters in München in einer Kneipe trafen, wurde die Runde schnell erweitert. „Icke Häßler kam zu mir, im Schlepptau hatte er Matthäus und Basler. Wahnsinn, die Nationalspieler da um mich herum.“ 

Woche für Woche im Stadion, jeden Tag bei der Mannschaft. Im Sommer Testspiele, im Winter Trainingslager. Hans weiß, dass die Familie in den letzten 46 Jahren oft zu kurz kam: „Meine Frau hat aber immer gesagt: ‚Geh du zu deinem KSC.‘“  In der Zukunft wird Hans wieder mehr Zeit für seine Familie, seine Kinder und Enkelkinder haben. Auf seiner Liste stehen auch Gartenarbeit und Fahrradtouren. „Lange Urlaub machen ging nie, auch das muss jetzt endlich mal sein“, sagt Hans mit einem lachenden und einem weinenden Auge. 

„Wenn der KSC mich braucht, ich bin immer da“ 
Am Samstag ist Hans ein letztes Mal als Zeugwart an der Seitenlinie im Wildparkstadion dabei. Schon in Braunschweig hatten sich die KSC-Profis zur Jubeltraube um den scheidenden Ruheständler versammelt. „Zu wissen, dass das mein letztes Auswärtsspiel war, hat mir schon richtig wehgetan“, sagt Hans. Wie es am Samstag wird? Wahrscheinlich noch schlimmer. Ein endgültiger Abschied ist es aber nicht, in Zukunft vorbeizuschauen will der 63-Jährige häufig. Und außerdem: „Wenn der KSC mich braucht, ich bin immer da.“ Keine zwei Minuten später wird Hans gebraucht. Daniel Gordon kommt aus der Kabine und hat ein Anliegen, das nur einer lösen kann: Hans.


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