NLZ wird zertifiziert

Im Interview: Ede Becker über die Nachwuchsarbeit beim KSC

Club von Sandra Walzer

Edmund "Ede" Becker verantwortet als Leiter das Nachwuchsleistungszentrum im Wildpark. Hier werden die jungen Talente gefunden, ausgebildet, betreut und an das Profiteam herangeführt. Auch vor dem Hintergrund der Zertifizierung durch den DFB hat sich ksc.de mit dem ehemaligen Profitrainer getroffen.

"Früh übt sich" gilt in diesem Jahr für den KSC, vor allem hinsichtlich der sehr früh terminierten Zertifizierungsrunde, die hoffentlich wieder die vollen drei Sterne für das Nachwuchstleistungszentrum im Wildpark mit sich bringt, was sehr schwer wird, weil die Anforderungen erneut gestiegen sind. Gilt aber auch für alle, die es zu wahrer Meisterschaft bringen wollen – so zumindest das Sprichwort. Ganz falsch ist das nicht, denn auch, wenn zu viel Leistungsdruck heute oft verteufelt wird: Nur mit echtem Engagement und Ehrgeiz geht’s nach ganz oben. Dass übrigens der Leistungsdruck nicht zu viel wird, dass die jungen Fußballer einen Ausgleich zwischen der Arbeit mit Körper und Kopf, Freizeit und Abwechslung bekommen, dafür sorgt beim KSC einen ganzes Team aus Trainern und Physiotherapeuten, Pädagoge, Sportpsychologe und all jenen, die sich um die Organisation kümmern. Ganz oben steht da: Edmund „Ede“ Becker, Leiter Nachwuchsleistungszentrum (NLZ). Mit ihm haben wir über die anstehende Zertifizierungsrunde gesprochen, über Durchlässigkeit und zu viel Lässigkeit, über die nötige realistische Selbsteinschätzung und immer wieder auftretende Selbstüberschätzung. Und über drei aktuelle Paradebeispiele, die auf ganz unterschiedlichen Wegen bewiesen haben, was sich mit Durchsetzungsvermögen und starkem Wille im Fußball erreichen lässt.

ksc.de: Herr Becker, beim vergangenen Heimspiel gegen Meppen war DoublePass zu Gast. Die Auditoren überzeugten sich zuvor während einer ganzen Auditwoche live von dem, was bereits bis Ende Januar schriftlich vom Zertifizierungsteam des KSC rund um Dietmar Blicker, Hochschulsportleiter des KIT und ehemaliger sportlicher Leiter des NLZ, Pascal Huber (Organisatorischer Leiter) und unseren Trainern eingereicht wurde – die Abläufe im Athletik-, Individual-, Torwart-, Mannschafts-, Spieler- und Organisationsbereich werden genauestens geprüft, gemessen und bewertet. Wie muss man sich das vorstellen, was ist den Prüfern in Sachen Jugendarbeit wichtig?

Edmund Becker: Einen großen Anteil hat beispielsweise das hauptamtliche Personal, die Fußballausbildung und die Durchlässigkeit, also die Zahl, die zeigt, wie viele Spieler es aus dem Wildparknachwuchs in den Profikader des KSC oder auch anderer Teams geschafft haben. Des weiteren sind Infrastruktur, Unterstützung und Bildung, Strategie und Finanzen und Kommunikation und Kooperation Themen, die genau durchleuchtet werden.

ksc.de: So wie aktuell Marcel Mehlem, Florent Muslija und Matthias Bader.

EB: Genau, auch wenn sich die Wege dieser drei Spieler ziemlich unterscheiden. Einer, der sich als Fighter durchgebissen hat, für den Aufgeben nie in Frage kam, der allen Verletzungen und Rückschlägen zum Trotz immer weitergemacht hat – und der heute bei Auswechslungen von den Fans mit Applaus und Sprechchören verabschiedet  wird. Einer, der mit seiner Spielintelligenz die Trainer immer und immer wieder davon überzeugt hat, ein Guter zu sein. Und dann einer, der ein bisschen dazwischen steht, der früh den Sprung nach oben geschafft hat, aber  auch oft mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Jetzt auf einem sehr guten Weg ist sich im Profifußball zu etablieren.

Er ist ein Musterbeispiel, wenn es darum geht, was man mit Leidenschaft erreichen kann.

Edmund Becker über Marcel Mehlem

ksc.de: Das Beispiel Marcel Mehlem zeigt, wie der KSC als Verein tickt. Sie selbst haben den Spieler mit in die Sportklinik genommen, um ihn wieder auf die Füße zu kriegen …

EB: Er ist ein Musterbeispiel, wenn es darum geht, was man mit Leidenschaft erreichen kann. Das genaue Gegenteil von jungen Spielern, die beim ersten Gegenwind die Segel streichen, den Verein oder den Trainer in Frage stellen, weil sie vielleicht mal auf der Ersatzbank sitzen müssen. Ein großes Problem ist auch die mangelnde Identifikation, was bedeutet, dass uns etliche Spieler beim ersten Angebot eines anderen Vereins verlassen. Aber da können wir die Uhr leider nicht mehr zurückdrehen. Das aggressive Abwerben durch Bundesligavereine spielt hier sicherlich eine entscheidende Rolle.

ksc.de: Was heißt das denn für den Umgang mit den jungen Nachwuchstalenten?

EB: Das ist ganz aktuell ein großes Thema, weil wieder etliche talentierte Spieler, den Verein verlassen.  Wie gehen wir mit großen Talenten beim KSC  um?  Wie können wir sie überzeugen beim KSC zu bleiben. Es ist eine Riesenherausforderung, mit der wir uns fast täglich beschäftigen, die Jungs einerseits in allen Bereichen zu unterstützen, andererseits sie aber auch nicht in Watte packen, und ihnen täglich sagen wie toll sie Fußball spielen können.  Fördern, aber auch fordern ist hier sicherlich ein wichtiger Faktor. Gut, dass wir Unterstützung von unserem Sportpsychologen haben, der den Trainern in Gesprächen mit Rat und Tat zur Seite steht, der aber auch Ansprechpartner für die Eltern und natürlich am wichtigsten, für unsere jungen Fußballer selbst ist.

ksc.de: Apropos Ansprechpartner für die Fußballer. Was, wenn ein Jugendspieler den Sprung nicht schafft?

EB: So ist unser System aufgebaut, von 20 schaffen es vielleicht einer oder zwei. 18 müssen dann ihren Weg abseits des Profifußballs finden. Auch denen zeigen wir Wege auf, bieten Lehrstellen über Partnerunternehmen an. Auch unsere sehr gute Verbindung zum KIT zahlt sich hier aus, da wir den Spielern Studienplätze vermitteln können. Wir wollen, dass junge Fußball auf jeden Fall von ihrer Zeit beim KSC profitieren, auch, wenn sie nicht mit einem Profivertrag endet.

Der Verein investiert auch in der dritten Liga einen sehr hohen Betrag in seine Jugendarbeit.

Edmund Becker

ksc.de: Und letztlich muss der KSC sich ja auch an seinem sportlichen Erfolg orientieren.

EB: Der Leistungsgedanke steht auch beim KSC an ziemlicher hoher Stelle. Der Verein investiert auch in der dritten Liga einen sehr hohen Betrag in seine Jugendarbeit. Im Unterschied zu den ganz Großen kommen bei uns nicht ganz so viel Ellbogen zum Einsatz. Wir sind, siehe Marcel Mehlem, auch nach Verletzungen oder in schwierigen Zeiten da, signalisieren dem Spieler, dass wir weiter mit ihm arbeiten wollen und ihn nicht sofort aussortieren.

ksc.de: Umgekehrt müssen die Spieler dann auch verstehen, dass ihre Selbsteinschätzung den tatsächlichen Leistungen entsprechen sollte.

EB: Ja, da sind aus meiner Sicht viele nicht realistisch. Der Anspruch der Jugendspieler ist heute meist „Profifußball oder aller mindestens Regionalliga“. Ein U19-Bundesliga Spieler will nicht in der Oberliga kicken. Es gibt aber eben auch die positiven Beispiele, die bei uns in jüngster Vergangenheit den Sprung zum Profi geschafft haben – Mehlem, Muslija, Bader. Lassen Sie die ruhig mal zu Wort kommen.

– Und genau das haben wir dann auch getan. Was sagen Marcel Mehlem, Florent Muslija und Matthias Bader über ihre Jugendzeit beim KSC?

Marcel Mehlem: „Als 10-Jähriger bin ich zum KSC gekommen, dem Verein, der bekannt dafür war und ist, gute Jugendspieler hervorzubringen. Mit der U15 bin ich Süddeutscher Meister geworden, habe gegen Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Niklas Süle gespielt. Und ich bin dem Verein sehr dankbar. Der KSC hat auch in Verletzungsphasen immer an mir festgehalten. Ich bin stolz und glücklich, dass ich alle KSC-Jugendmannschaften durchlaufen und es geschafft habe, Profi zu werden. Ich weiß einfach, dass man mit harter Arbeit viel erreichen kann, auch ohne die Bedingungen, wie es ein FCB, VfB oder Hoffenheim in der Jugend haben.“

Florent Muslija: „Meine Jugendzeit hat alles ausgemacht. Sie gab mir Hilfestellung, Tipps, um das Spiel zu verbessern und wo die Defizite liegen. Am Anfang ging das noch mit viel Spaß und Freude, wenn einem aber bewusst wird, was man mit dem Fußball erreichen will, wird der Konkurrenzkampf stärker. In der U11 merkst Du nicht, dass überhaupt ein Konkurrenzkampf stattfindet. Es ist einfach eine besondere Erfahrung gewesen.“

Matthias Bader: „Es war eine schöne Jugendzeit beim KSC, die ausgemacht hat, dass wir immer gegen die besten Gegner in den höchsten Ligen angetreten sind. Wir waren fast schon eine Familie, alle haben zusammengehalten, wir haben immer alles gegeben. Das sind die Tugenden der KSC-Jugendmannschaften – hier kann man in Sachen fußballerischer und persönlicher Entwicklung viel lernen.  Man hat hier vielleicht nicht die besten Bedingungen, aber darauf kommt es gar nicht an. Hier lässt sich Bescheidenheit lernen.“

Nur was die drei Sterne angeht, da verzichtet der KSC liebend gern auf Bescheidenheit. Wir drücken die Daumen.


Match
Center
- : -