Die blau-weiße Zeitreise

1980: Sensation im Hinspiel gegen Essen

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Neue Saison, neues Format, legendäre Geschichten! Bei der "blau-weißen Zeitreise" blicken wir auf historische Ereignisse in der langen KSC-Historie zurück. Der Startschuss fällt mit der Aufstiegsrelegation 1980 gegen Rot-Weiß Essen. KSC-Archivar Heiko Räther und Legende Wilfried Trenkel erinnern sich dabei an das denkwürdige Hinspiel im altehrwürdigen Wildparkstadion.

Wilfried Trenkel
Wilfried Trenkel
Wilfried Trenkel spielte von 1972 bis 1982 für den KSC.

Der KSC und die Relegation. Das vergangene Jahrzehnt lehrte uns die Dramatik der Entscheidungsspiele um Auf- und Abstieg. Nirgendwo im Profifußball sind Emotionen einer ganzen Saison so sehr auf 180 plus X Minuten konzentriert. Nicht-Aufstieg in Aue, Abstieg gegen Regensburg und dann waren da noch die Spiele gegen den HSV…

Vor der Wiedereinführung der Relegation im Jahre 2009 gab es bereits verschiedene Modelle, mit denen am Ende einer Saison die Ligazugehörigkeit ausgespielt wurde. Doch auch in den Aufstiegsspielen zur Bundesliga tat sich Blau-Weiß zunächst schwer. 1969, 1970, 1971 und 1973 scheiterten die Kicker aus der Fächerstadt allesamt an den Westvertretern Rot-Weiß Essen, Arminia Bielefeld, VfL Bochum und Fortuna Köln. Gegen den RWE ging es für unseren KSC im Anschluss an die Zweitliga-Saison 1979/80 erneut in die Relegation. Nach dem Nichtaufstiegsdebakel elf Jahre zuvor, inklusive 5:0-Hinspielniederlage, hatte der hungrige und neu strukturierte KSC einiges gutzumachen. Trainer Manfred Krafft, damals in seiner zweiten KSC-Saison, stellte sich eine Mannschaft zusammen, die im Vergleich zu den Vorjahren jünger war. Die erfahrungsbedingte Aufstiegs-Skepsis bei Duellen gegen Westvertreter, die den ein oder anderen KSC-Fan pessimistisch auf die Relegation blicken ließ, kümmerte die Truppe um Torjäger Emanuel Günther daher recht wenig.

Doch wieso waren die westdeutschen Clubs in den Vorsaisons Jahr für Jahr Kryptonit für unseren KSC? Technisch waren die Kicker vom Adenauerring zu dieser Zeit stets über alle Zweifel erhaben. Feines Kombinationsspiel versetzte den Wildpark damals regelmäßig in Staunen. In der alles entscheidenden Saisonphase fehlte den Blau-Weißen allerdings der Biss, der unbändige Wille und das nötige Quäntchen „Drecksau-Mentalität“. Woran das lag? Der damalige Spieler Wilfried Trenkel blickt zurück.

Kalli Struth
Der König der Freistöße lange vor Porcello und Çalhanoğlu: Kalli Struth

Da die blau-weißen Aufstiegsaspiranten in der Liga rekordverdächtige 104 Tore erzielten, verflogen die Bedenken an ein erneutes Scheitern zumindest bei den Spielern recht schnell. Einmal musste diese unsägliche Pleiteserie gegen die Westvereine schließlich enden!

So kam er dann: der 6. Juni 1980. „Es war ein schwül-heißer Freitag und mit 43.000 Zuschauenden platzte das Wildparkstadion schier aus allen Nähten!“, erinnert sich Heiko Räther. Eine weitere Anekdote des Zeitzeugen bezieht sich auf den Unparteiischen der Partie, Jan Redelfs: „Der Schiedsrichter wurde 1979 zum FIFA-Referee des Jahres gekürt und war aufgrund seiner besonnenen Spielleitung der geeignete Mann für das wichtige Spiel. Die hünenhafte Gestalt des Hannoveraners war dabei mehr als nur respekteinflößend…“. Die Gelbe Karte saß in dem zeitweise überharten Spiel recht fest in Redelfs‘ Brusttasche – nur fünfmal kam die Verwarnung zum Einsatz, obwohl die Schienbeinschützer der Profis bei der rustikalen Gangart intensiv auf ihre Qualität geprüft wurden.

Nach einem ersten Abtasten fand der KSC gut in die Partie und nutzte einen der weniger raubeinigen Momente, um einen schnell gespielten Angriff in das 1:0 umzuwandeln. Als Torschütze wurde hierbei der Essener Jürgen Kaminsky aufgeführt, aber Eigentor hin oder her: Das Wildparkstadion feierte die Führung als wäre es die deutsche Meisterschaft! Von diesem Moment an gab es für die blau-weißen Ballkünstler kein Halten mehr. Das 2:0 erzielte Stephan Groß, Vater von Nationalspieler Pascal Groß, den dritten Treffer des Tages bescherte Karl-Heinz „Kalli“ Struth mit einem direkten Freistoßtor. Die wuchtigen Standards waren zu dieser Zeit das Markenzeichen von Struth, lange bevor Porcello, Çalhanoğlu & Co. den Wildpark mit ihren Freistößen verzauberten.

Die Fans auf den Tribünen tobten vor Freude, während die Essener Defensive von den Karlsruher Angreifern Stück für Stück in ihre Einzelteile zerlegt wurde! „Zur Halbzeit hätten wir gut und gerne schon 4:0 oder 5:0 führen können, gar müssen!“, erinnert sich Heiko, der das Spiel damals quer hinter einem der Tore verfolgte.

Aufgrund der enormen Hitze konnte das Team von Manfred Krafft das hohe Tempo im zweiten Durchgang zunächst nicht halten. Der RWE kam hingegen voller Elan und mit viel Wut im Bauch zurück auf den Rasen, was im 3:1-Anschlusstreffer durch Frank Mill resultierte. Doch das war für die Karlsruher kein Grund zu verzagen, schließlich hatten die beiden Torjäger Raimund Krauth (12 Saisontreffer) und Emanuel Günther (29 Saisontreffer) ihr Pulver noch nicht verschossen. In der 67. Minute machte Krauth mit dem 4:1 alles klar, einige Minuten später gab Günther mit dem 5:1 den Startschuss für eine blau-weiße Party! Die vorzeitigen Feierlichkeiten in der Fächerstadt ließ sich der damals 29-jährige Heiko natürlich nicht entgehen: „Erst fieberte ich mit, dann feierte ich mit! Nach dem grandiosen und hochverdienten Sieg ließ ich meinen Glückshormonen in irgendeiner Diskothek freien Lauf!“, erinnert sich das menschgewordene KSC-Lexikon. Mit dem 5:1-Hinspielerfolg war die Messe gelesen und Karlsruhe so gut wie zurück in der Bundesliga. So einen Vorsprung konnte nicht mal mehr unser von der Relegation verfluchte KSC verspielen, oder? ODER?

Wir wagen einen kleinen Ausblick auf das Rückspiel...

Am Sonntag folgt Teil 2!


Match
Center
2:2