Tim Sebastian: "KSC? Ein richtiger Brocken!"

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2008/2009 spielte Tim Sebastian noch für den Karlsruher SC in der Bundesliga – am Mittwoch (17.30 Uhr) steht er ihm dann erstmals mit RB Leipzig gegenüber. Der Abwehrspieler über Rückschritte, Konkurrenten und das Spiel gegen den KSC.

Tim Sebastian, RB Leipzig ist Aufsteiger aus der dritten Liga und spielt sofort oben um den Aufstieg mit. Das kommt nicht überraschend, oder?
Naja, es sind ja auch erst sechs Spiele absolviert, das ist für mich noch kein Gradmesser. Mich freut es natürlich, dass wir die ersten Partien gut gespielt haben. Wir setzen das um, was wir uns vornehmen und lassen nur sehr wenige Chancen zu.

Das Projekt RB Leipzig hat in Deutschland viele Kritiker. Was hat dich 2010 überzeugt, zu diesem Verein zu wechseln?
Definitiv die Perspektive. Für mich war damals deutlich, dass der Verein in den kommenden Jahren für Furore sorgen wird und immer oben mitspielen will. Hier gibt es ein klares Konzept und der Verein steht für erfolgreichen Fußball. Am Anfang war es noch schwierig, mittlerweile läuft es seit zwei Jahren sportlich aber sehr gut.

War dein Wechsel sportlich gesehen denn ein Rückschritt?

Sportlich gesehen selbstverständlich. Von der 2. Bundesliga in die Regionalliga zu wechseln sind zwei Gänge zurück. Die Regionalliga ist harter Fußball, dazu kommt das Unding mit der schwierigen Relegation zur 3. Liga. In der Regionalliga wird gut gearbeitet, da ist es teilweise wie beim Rugby.

Nach drei Jahren Regionalliga mit Leipzig: Hast du nochmal damit gerechnet, 2. Bundesliga zu spielen?
Ja, habe ich schon. Im ersten Jahr in der Regionalliga haben wir zu lange gebraucht, um uns als Mannschaft zu finden. Und der Chemnitzer FC war zu stark für uns. Da hatte ich natürlich Zweifel und die 2. Liga war in weite Ferne gerückt. Auch letztes Jahr war unser Aufstieg überhaupt nicht eingeplant. Und plötzlich sind wir da, die letzten zwei Jahre sind rasend schnell vergangen.

Du spielst nun vier Jahre in Leipzig – deiner Geburtsstadt. Aufgewachsen bist du aber in der Nähe von Rostock. Was war der kuriose Grund dafür?

Der Grund war ich selber. Ich war als Kleinkind sehr häufig erkältet. In Leipzig wurde damals extrem viel Braunkohle abgebaut und die Luft war sehr schlecht. Auf Anraten eines Arztes sind meine Eltern dann wegen mir an die Ostsee gezogen.

Ist die Luft in Leipzig wieder besser geworden?
Es riecht wunderbar nach 2. Bundesliga. Und die normale Luft ist auch wieder in Ordnung, nachdem hier keine Braunkohle mehr abgebaut wird.

Als Zehnjähriger hast du einen Landesrekord im Weitsprung aufgestellt. Warum bist du nicht in der Leichtathletik geblieben?

Ich habe das parallel gemacht, aber der Fußball hatte den größeren Reiz. Das ist einfach viel mehr in den Medien und war in meinem Leben präsenter. Dazu wollte ich lieber ein Teamsport machen. Deswegen habe ich mich mit zwölf Jahren für den Fußball entschieden. Aber von der körperlichen Grundausbildung von der Leichtathletik und auch vom Judo profitiere ich heute noch.

In der Saison 2008/2009 warst du damals in der Bundesliga beim KSC unter Vertrag. Erinnerst du dich trotz Abstieg gerne an die Zeit zurück?

Ja natürlich. Das war abgesehen vom Abstieg ein klasse Jahr. Es war ein wichtiger Schritt für mich und ich habe mich in Karlsruher auch super wohl gefühlt. Sportlich hat am Ende nicht viel gefehlt. Qualitativ war der Kader auch bundesligareif. Schlimm war natürlich damals die lange Verletzung von Abwehrchef Maik Franz. Er war für unser Spiel verdammt wichtig.

15 Spieltage lang hast du jede Minute gespielt. Dann kamen die Verletzungen…
Die letzten beiden Spiele der Hinrunde habe ich wegen eines Muskelfaserrisses verpasst. In der Rückrunde habe ich mich dann im Training wieder verletzt, diesmal am Sprunggelenk. Dazu wurde in der Winterpause Dino Drpic verpflichtet und der Junge hatte richtig Qualität. Erst zum Schluss war ich dann wieder richtig fit.

Gegen Leverkusen hast du auch ein Tor geschossen. Erinnerst du dich an das Spiel?
Wir haben sehr schlecht angefangen. Nach einer halben Stunde hat Leverkusen im Wildpark mit 0:3 geführt. Es lief alles gegen uns. Toni da Silva hat kurz vor der Pause ein Tor gemacht und uns Mut gegeben. In der Pause haben wir uns geschworen, für die Zuschauer bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Ich habe dann noch das Anschlusstor gemacht und Alexander Iashvili tatsächlich den Ausgleich kurz vor Schluss. Der Wildpark hat gekocht.

Gibt es noch ein paar Kontakte nach Karlsruhe?
Eher weniger. Im Trainingslager waren wir ja auch in Belek in der Türkei, da habe ich ein paar bekannte Gesichter wieder gesehen. Stolli zum Beispiel, der ja wieder beim KSC spielt. Und dann natürlich diejenigen, die von damals aus dem Betreuerteam und dem Umfeld immer noch da sind.

Auf den letzten Drücker hat RB Leipzig den ehemaligen Nationalspieler Marvin Compper verpflichtet. Der kam aus der Serie A vom AC Florenz. Ist er der härteste Konkurrent in deiner bisherigen Karriere?
Nein. Für mich ist er auch kein Konkurrent, wir sind ja froh, dass wir gerade zwei gesunde Innenverteidiger stellen. Niklas Hoheneder ist auf dem Weg der Besserung, aber er kommt wieder. Marvin zeigt natürlich, dass er sehr viel Erfahrung hat. Er ist ein sehr kommunikativer und sympathischer Mitspieler, er hat keine Star-Allüren. Er ist ein super Spieler, aber ich hatte auch schon mit Franz oder Drpic wahnsinnig gute Innenverteidiger an meiner Seite.

Leipzig will kurzfristig in die Bundesliga aufsteigen, mittelfristig international spielen. Du bist 30 Jahre alt. Hast du die gleichen Ziele wie der Verein?
Also international spielen ist natürlich weit hergeholt, aber ich will erfolgreich spielen. Wenn wir oben anklopfen, wäre das super. Aber ich werde nicht rausposaunen, dass ich jetzt aufsteigen will. Dafür ist die Liga zu ausgeglichen.

In der aktuellen Saison hast du bisher jede Minute gespielt. Bist du bisher zufrieden?
Es läuft auch für mich persönlich gerade sehr gut. Da profitiere ich natürlich von einer starken Mannschaftsleistung. Unsere Offensive hilft hinten wirklich sehr gut mit. Und bei mir persönlich stimmen derzeit die Zweikampfwerte, ich weiß aber, wo ich mich noch verbessern kann.

Leipzig hat bisher die wenigsten Gegentore kassiert. Woran liegt das?
Das liegt sicher am Gesamtkonzept. Sowas liegt nie an nur einem Spieler. Unsere Spielphilosophie ist gut ausgearbeitet und wir haben einen guten Plan in der Verteidigung. Klar kann ein Stürmer mal durch eine gute Einzelleistung durchbrechen oder ein Freistoß geht rein. Aber wir attackieren früh, das hat auch gegen Braunschweig wirklich sehr gut geklappt.

Bereits am Mittwoch (17.30 Uhr) empfängt RB Leipzig den Karlsruher SC. Wie schätzt du die Badener ein?
Ich ordne den KSC so ein, wie sie sich auch letzte Saison präsentiert haben, also auf jeden Fall im oberen Drittel. Sie werden eher noch gefestigter und stärker sein. In Karlsruhe ist Hunger auf mehr, die Erwartungen im Umfeld steigen. Wer weiß, wo der KSC mittelfristig steht. Deswegen wird das ein Highlight-Spiel für uns. Mit dem KSC kommt ein richtiger Brocken auf uns zu.

Welcher Spieler imponiert dir besonders?
Beim KSC herrscht ja eher das Kollektiv. Ich habe aber auch dafür die Mannschaft zu wenig gesehen, um das beurteilen zu können. Oft zeigen die Karlsruher gute Mannschaftsleistungen. Wir müssen höllisch aufpassen, damit am Mittwoch nicht der Baum brennt.

Wie wollt ihr vorgehen, um gegen Karlsruhe erfolgreich zu sein?
Auf das Spiel wird uns der Trainer erst noch vorbereiten. Dann schauen wir uns ein, zwei Besonderheiten an und analysieren sie. Grundsätzlich wollen wir unser Spiel durchdrücken, also maximale Laufleistung zeigen, den Gegner 90 Minuten beackern und im Kollektiv zu Fehlern zwingen. Dazu sind wir immer für ein Tor gut.

Das Gespräch führte Fabian Herbers


Match
Center
3:2