1963: Ein neue Epoche
Wir gehen wieder auf eine blau-weiße Zeitreise. Nach einem Exkurs in die Aufstiegsrelegation 1980 geht es nun zu den Anfängen der Bundesliga ins Jahr 1963. Gemeinsam mit dem ersten Karlsruher Bundesliga-Torschützen Erwin Metzger blicken wir auf die Premierensaison!

(Bedienhinweis: Durch Anklicken der blau unterlegten Wörter gelangt man zu Videos mit Erwin Metzger)
Jahr für Jahr schreiben Fußballjournalisten von der besten 2. Liga aller Zeiten. Grund dafür ist die Teilnahme von traditionsreichen Clubs wie Schalke 04, HSV, Kaiserslautern, Hertha BSC und nicht zuletzt unserem KSC. Von den 18 Zweitligisten reckten bereits zwölf Vereine die Meistertrophäe in die Höhe, exakt die Hälfte des aktuellen Unterhauses war 1963 Gründungsmitglied der Bundesliga. Zuvor war die deutsche Fußball-Elite in fünf Oberligen aufgeteilt, wobei unsere Blau-Weißen in der Oberliga Süd antraten. Durch ein gutes Abschneiden in der Zwölfjahreswertung ergatterte Karlsruhe einen der 16 begehrten Bundesliga-Startplätze und war somit Teil der deutschen Fußball-Renaissance. Für den Start in die neue Epoche musste sich Blau-Weiß entsprechend rüsten: Die Infrastruktur war mit dem altehrwürdigen Wildparkstadion gegeben, auch an der Seitenlinie stand mit Trainer Kurt Sommerlatt ein Fachmann, Optimierungsbedarf gab es jedoch im Kader. Drei Akteure verließen die Fächerstadt, sieben Neue kamen hinzu. Das mag im ersten Moment eher nach einer passiven Transferphase klingen, hierbei gilt es aber zu beachten, dass Auswechslungen damals noch nicht erlaubt waren. Dadurch waren die Kader kleiner und der Konkurrenzkampf intensiver. Entweder ein Spieler stand am Wochenende in der Startelf oder er nahm auf der Tribüne Platz.
Von der Fuggerstadt in die Fächerstadt
Einer der sieben Neuzugänge war Erwin Metzger. Der damals 23-Jährige kam vom TSV Schwaben Augsburg an den Adenauerring. In der Vorsaison spielte der Rechtsaußen noch in zwei Spielen gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber, in denen er trotz Niederlagen die Club-Führung von sich überzeugte.
Das Interesse war somit geweckt, doch wie lief ein Transfer damals ab? Berater kannte man damals höchstens bei der Bank und einer der härtesten Verhandlungspartner war die eigene Ehefrau – so zumindest bei Erwin Metzger!
Der Aufstieg von Erwin Metzger zum Bundesligaspieler ist angesichts seiner fußballerischen Laufbahn äußerst bemerkenswert. Der bayerische Schwabe startete nämlich erst im Alter von 16 Jahren aus Zufall mit dem Ballsport. Der Teenager schlenderte nach einem lehrreichen Tag in der Berufsschule durch seinen Heimatort, als er einen Klassenkameraden auf einem Fußballplatz beim Training entdeckte. Am nachfolgenden Schultag fragte Erwin Metzger seinen Freund, ob er nicht auch mal zur Probe vorbeikommen könne. Gesagt, getan – Der Trainer war sofort von seiner Schnelligkeit beeindruckt und förderte den Nachwuchskicker. So landete Metzger bald darauf schon in der ersten Herrenmannschaft, mit der er den Aufstieg in die Oberliga Süd schaffte. In der damals höchsten Spielklasse sorgte der Offensivspieler mit 23 Treffern in 50 Spielen für ein starkes Abschneiden des kleinen Clubs.
Für den talentierten Offensivspieler ging es nach seiner Zeit in Augsburg mit seinem Wechsel in eine neue Stadt und eine neue Liga. Doch das war lange nicht das einzige Unbekannte im Sommer 1963! Im vorherigen Oberliga-System trafen die Clubs aus dem Süden, Südwesten, Westen, Norden und Berlin höchstens in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft oder dem DFB-Pokal auf Clubs aus anderen Regionen. Die neue Liga, in der unser KSC nun Woche für Woche gegen Spitzenmannschaften antrat, war daher etwas ganz Besonderes.
Wo liegt Meiderich?
Zum Auftakt in die Bundesliga ging es aber nicht gegen eine deutschlandweit berühmte Größe, sondern den Meidericher SV. Heutzutage sind die Kicker als MSV Duisburg bekannt, damals traten die Zebras aber lediglich unter dem Namen des Ortsteils der Stahlstadt an. „Wir wussten gar nicht, wo Meiderich denn eigentlich liegt“, blickt Metzger auf den Debütgegner zurück. Die Anspannung war somit einerseits groß, weil das Spiel den Start in eine neue Epoche bedeutete, andererseits gingen die Kicker das Duell mit dem MSV aber wie eine übliche Oberliga-Partie an.
Der Ligastart wurde vor 45.000 Fans im altehrwürdigen Wildparkstadion zu einem Sprung ins kalte Wasser. Die unbekannten Meidericher demontierten die Sommerlatt-Elf und gingen bereits in der ersten Hälfte mit 0:3 in Front. Die Partie war für Blau-Weiß somit eigentlich schon gelaufen, Metzgers großer Moment stand aber noch aus. Nach 83 Minuten bekam der flinke Angreifer den Ball zugespielt, legte ihn sich mit rechts vor und schob an Torhüter Manglitz vorbei ins Tor ein. So erlebte der Torschütze den ersten Treffer unseres Clubs in der Bundesliga.
An der Niederlage änderte das Tor allerdings nichts. Der KSC verlor den Auftakt mit 1:4, auch in den darauffolgenden Wochen lief es noch nicht wie gewünscht. An den Spieltagen zwei und drei hagelte es erneut vierfach in das Tor von KSC-Keeper Manfred Paul, der erste Sieg ereignete sich erst in Woche sechs. Ein möglicher Grund für den schwachen Saisonstart könnte die lockere Sommervorbereitung gewesen sein. Als Belohnung für die Bundesliga-Qualifikation ging es für die Mannschaft auf eine Weltreise durch Asien, Neuseeland, die Südsee und die USA. Das Training war dabei nicht die oberste Priorität, wofür es zum Saisonstart die Quittung gab.
Auf und Ab
Nach den herben Niederlagen zum Auftakt in die Eliteliga entschied sich Cheftrainer Sommerlatt dazu, auf Metzgers Position zu rotieren. Der gebürtige Augsburger war damit erstmal außen vor und erlebte den sportlichen Aufschwung von der Tribüne aus mit. Davon ließ sich Metzger aber nicht entmutigen! In der Wintervorbereitung mauserte sich der Offensivspieler wieder zurück in die erste Elf.
Das erklärte Saisonziel war nach wie vor der Klassenerhalt. Dafür musste Blau-Weiß in der damals noch aus 16 Clubs bestehenden Liga mindestens 14. werden. Diese Vorgabe erreichten Metzger & Co. im Saisonendspurt. Mit Rang 13 und 24 Punkten – für einen Sieg gab es nur zwei Zähler – löste man das Bundesliga-Ticket für die Folgesaison. Die Freude in der Fächerstadt war riesig über den Erfolg! Erwin Metzger erinnert sich…
Tragisches Karriereende
Für die zweite Bundesliga-Saison nahm sich Metzger viel vor. Diesmal wollte er seinen Club von Anfang an zu Siegen führen. Am ersten Spieltag empfing die Sommerlatt-Elf dabei erneut den Meidericher SV. Metzger stand in der Startelf und hatte mit seiner Torvorlage auch einen erheblichen Anteil am 2:1-Heimsieg. Daher ging es in der Folgewoche mit breiter Brust an die Glückauf-Kampfbahn zum FC Schalke 04. Im Ruhrpott wollten die Spieler aufgrund der Platzbeschaffenheit zu Schuhen mit langen Stollen greifen, Trainer Sommerlatt orderte allerdings das Tragen von Schuhen mit kurzen Stollen an. Diese Entscheidung sollte sich im Fall von Erwin Metzger aber als verheerend herausstellen. Nach einer knappen Viertelstunde verlor der Angreifer an Bodenhaftung und rutschte aus. Dabei knickte Metzger so ungünstig weg, dass er sich den Meniskus riss. Auswechslungen, geschweige denn medizinische Behandlungen auf dem Platz waren damals nicht möglich. Daher humpelte Metzger noch bis zum Spielende über das Feld, wodurch die Verletzung schlimmer und schlimmer wurde. Zurück in Karlsruhe war sein Knie extrem dick angeschwollen. Ein Arztbesuch bestätigte dann, was Erwin Metzger bereits befürchtet hatte: Sein Knie war dermaßen zerstört, dass er mit dem Profifußball aufhören musste. Der große Traum von der Bundesliga hatte sich somit bereits nach nur einer Saison ausgeträumt.
Karlsruhes erster Bundesliga-Torschütze engagierte sich im Anschluss noch einige Jahre beim FC Nöttingen und führte diesen zu zwei Aufstiegen. Dem KSC blieb er dennoch eng verbunden, denn seine engen Freunde Jupp Marx und Gustav Witlatschil standen für Blau-Weiß weiterhin auf dem Platz.
Heute lebt der 85-Jährige im Remchinger Stadtteil Nöttingen in seinem Haus, in dem Bilder, Gläser und Wimpel an die Bundesliga-Zeit erinnern. Den KSC-Staffelstab gab er an seinen Enkel weiter, der den Club als treuer Fan im Stadion unterstützt. Der letzte Stadionbesuch von Erwin Metzger liegt hingegen bereits ein paar Jahre zurück. Damals spielte Blau-Weiß noch im altehrwürdigen Wildparkstadion. Das neue Stadion kennt Metzger bisher nur von Bildern, hoffentlich kann er den Fußballtempel bald auch mal vor Ort erleben.
Der erste Bundesliga-Torschütze unseres Clubs Erwin Metzger – Auf ewig ein Stück KSC-Geschichte!