Ursprünge, Ufer und Unbekanntes – Wie Karlsruhe international kickte
#FußballstadtKA #UrLänderspiel
Nach F folgt U. Nicht im Alphabet, aber in unserer sechsteiligen Serie mit dem Blick auf einst. Auf das, was 1889 in Karlsruhe seinen Anfang nahm, 1952 zusammenfand und 2022 so lebendig ist wie eh und je: der Fußball in Karlsruhe. Und das auch in ganz frühen Jahren schon über die Bundesgrenzen hinweg.
In Teil „F“, dem ersten Teil unserer Textreihe, haben wir über den Engländerplatz geschrieben und davon erzählt, wie der Kleine Exerzierplatz neben Walther Bensemanns Schule zum ersten Fußballplatz Süddeutschlands wurde. Die Begeisterung schlug schnell hohe Wellen, damals, Ende des 19. Jahrhunderts. So hoch, dass direkt eine Serie internationaler Vergleiche geplant wurde. Auf zu neuen Ufern!
Unbenannte Spiele, unbekannte Gründe
Sieben dieser „Wettspiele“ gab’s vor dem ersten offiziellen Länderspiel 1908: zwei gegen Pariser Teams, fünf gegen England (eins gegen eine österreichisch-böhmische Auswahl, „Deutsch-Österreicher“ genannt). Wer als Planer und Organisator hinter denen auf deutschem Boden steckte? Na klar, Walther Bensemann, wer auch sonst, zusammen mit dem Deutschen Zentralkomitee für internationale Fußballwettspiele, Ivo Schricker und Bensemanns Tante. Letztere lieh Bensemann 2.000 Goldmark, damit der Neffe die Aufwandsentschädigung berappen und damit die aus Profis und Amateuren zusammengestellte englische Auswahl von Insel aufs Festland locken konnte.
Weil alles noch eher in Kinder- denn in Fußballschuhen steckte, werden diese sieben Spiele mal mehr, mal weniger, mal gar nicht in den Statistiken berücksichtigt. Und auch der Titel „Länderspiele“ wird ihnen nicht zuerkannt, obwohl diese Partien dennoch deren Ursprung waren. Ursprung, Länderspiele … Ur-Länderspiele! So werden sie bis heute genannt, weil eben noch vor der Gründung eines offiziellen bzw. allgemein anerkannten nationalen Verbands. Eins jener Ur-Länderspiele wurde dann auch standesgemäß in der Fächerstadt ausgetragen, am 28. November 1899; das letzte Match der Engländer in Deutschland.
Überhaupt mischte die Fußballstadt Karlsruhe rege mit, stellte bereits 1898 in Paris Rudolf Wetzler (eigentlich KFV, zum Zeitpunkt des Spiels Akademischer SC 1893 Berlin), am 23. und 24. November 1899 Langer und Link und am 28.11. schließlich sogar sieben Karlsruher Spieler (vom KFV und von Phönix Karlsruhe). Diesen heimischen Auftritt in der Fächerstadt sahen 5.000 Zuschauende, und das beinahe an der historischsten aller Stätten – das Spiel sollte eigentlich auf dem Engländerplatz stattfinden. Kurzerhand wurde das Match gegen die Engländer jedoch verlegt, auf einen anderen Exerzierplatz. Unerhört! Aber immerhin in Karlsruhe. Weshalb der kleine Bolzplatz so knapp am ganz großen Auftritt vorbeischlitterte? Unbekannt. Das 0:7 jedenfalls wurde nicht etwa als große Katastrophe bejammert, sondern gefeiert – nur 0:7! Gegen die Engländer! Die hatten ja doch einiges an Vorsprung in Sachen Fußball. Zum Beispiel mit einem bis dato in Deutschland eher unbekannten System mit drei Innenstürmern, und schon damals kaum noch mit der Fußspitze, sondern immer mehr mit Innen- und Außenseite, mit Kurzpass, Dribbling, Kopfballspiel, und mit viel Tempo. So wurden die Ur-Länderspiele im November 1899 zum Ur-Lehrstück für Aktive und Passive gleichermaßen.
Apropos November. Der ist für die Fußballstadt Karlsruhe sei jeher ein bedeutender Monat, auch in internationaler Hinsicht. Wer zum Beispiel bei sieben Toren (siehe oben, gegen England) an ein gewisses 7:0 an einem gewissen Novemberabend gegen einen gewissen spanischen Club denkt: Wir nicken. Und denken mit. Außerdem erinnern wir uns an ein Länderspiel der Frauen gegen Japan (2006), das Länderspiel der Herren gegen Norwegen im November 1955, und an einen zwar innerdeutschen, aber sehr fränkischen Ausraster von Lothar Matthäus beim Heimspiel des KSC gegen den FC Bayern München 1994 („Des is Arbeid, wo man leisded!“).
So also wurde der Fußball in Karlsruhe international – und das auch in Sachen Verein. Ebenfalls 1889 nämlich gründete Walther Bensemann den International Football Club Karlsruhe, aber das ist eine weitere Geschichte. Und wie gelangte Karlsruhe national an die Spitze? Dazu mehr in der nächsten Story, mit S wie Spannung, Spiel und … nein, nicht Schokolade, aber mindestens genauso nach unserem Geschmack.
Text: Sandra Walzer